Akademie Achtsame Kommunikation
 



Der Zauberer Kotzmotz und starke Gefühle 

Umgang mit Enttäuschung und Angst – Zauber der Empathie eines kleinen zerzausten Hasen

 

Ein Auszug aus Kotzmotz der Zauberer, von Brigitte Werner, Verlag Freies Geistesleben, 2012, S. 69-77, https://www.geistesleben.de/Buecher-die-mitwachsen/Kinderbuch-5-bis-8-Jahre/Kotzmotz-der-Zauberer-oxid.html


Als der Zauberer am späten Vormittag wach wurde, stand der kleine zerzauste Hase vor seinem Bett, reckte und streckte sich, plusterte sein Fell ordentlich in alle Richtungen und stupste ihn mit seiner kleinen weichen Pfote vorsichtig an.


„Hallo, du Schlafnase!“, sagte er. „Wach auf! Wir haben einen JASMIN-WEISSEN-FEDER-SANFTEN-WIND-UND-WOLKEN-LIEBLINGSTAG! Steh auf!“

Und der Zauberer, der so gut und tief geschlafen hatte wie schon lange nicht mehr in seinem Zaubererleben, blinzelte aus seinem verwühlten Bett hervor und murmelte schläfrig: „Ich zaubere uns gleich das tollkühnste Frühstück, das die Welt je gesehen hat!“


Aber der kleine Hase sagte: „Tut mir leid. Ich muss jetzt gehen. Das machen wir ein anderes Mal!“
Und als er dem Zauberer einen hasenzahnkleinen Abschiedskuss auf die lange Zauberernase geben wollte, wurde sie so blass und weiß wie die sonnengebleichten Knochen einer mausetoten Steppenratte.
Und dann kroch ein so fürchterlicher, brunnenschachttiefer, scherbensplitterscharfer Schmerz in dem Zauberer hoch, dass er die Bettdecke über sein erstarrtes Gesicht zog. Und sein langer, dünner Körper wurde so stock und steif wie der Besenstiel in der Besenkammer. Sein altes Zaubererherz stolperte in ein wildes Gejage und verhaspelte sich. Und die Luft unter der Bettdecke war so heiß und dick wie ein dicker, fetter Pfannkuchen. Und jede einzelne Stelle in und an seinem Körper tat ihm weh und wollte gestreichelt werden.


Und als er das alles nicht mehr aushalten konnte, sprang er aus dem Bett, raste zur Tür und schob die schweren Riegel davor. RUMMS!
Dann nahm er einen langen, rostigen Schlüssel und verschloss die Tür.
KNIRSCH UND KNACKS!
Dann rannte er zurück und warf die Fensterläden zu.
KRACH!


Und in dem Zimmer wurde es nachtdunkel. Mitten am Tag. „WAGE-ES-NICHT-WEGZUGEHEN-DU-WICHT-VON-EINEM-HASENFURZ-SONST-MACH-ICH-SCHNECKENSCHISS-AUS-DIR!“, schrie er.


Und der kleine Hase konnte sehr genau all die Verzweiflung und Traurigkeit und das Alleinsein und die Angst vor der Verzweiflung und der Traurigkeit und dem Alleinsein darin hören, und sein kleines Hasenherz zog sich zusammen und tat weh.

 


 

„Aber ich muss doch nach Hause“, sagte er. „Ich habe schon zwei Nächte hier geschlafen, nein drei, und ich muss dem Eichhörnchen mal wieder guten Tag sagen. Und die Eule hab ich lange nicht gesehen. Und ich möchte mit meiner kleinen Schwester spielen. Und ich muss doch noch das Windlied mit den Schmetterlingen üben.

Und….“

Da stellte sich der Zauberer vor den zerzausten Hasen und reckte sich noch höher, sodass sein Kopf fast die verstaubten Dachbalken berührte, und sein knochenbleiches Gesicht wurde rot und röter, bis es aussah wie eine überreife, fast platzende Tomate.
Und er schrie: „Ich befehle dir zu bleiben!! Für IMMER und IMMER und IMMER! JAWOLL!
Und wenn du das nicht tust, dann sperre ich dich ein. Ich verspeise dich zum Nachtisch, jawoll, ich lege dich in Ketten, ich werf dich ins Verließ, ich….!“
Da fiel sein trauerschwarzzorniger Blick auf das aufgeschlagene Zauberbuch mit dem K auf dem Rücken und dem Körbchen mittendrin.
Und er fuchtelte und blätterte wie wild, murmelte lange, dunkle Wörter, und RUCK und ZUCK gab es ein Knirschen und Knacksen, ein Rasseln und Rütteln, und schwere, eisenrostige Ketten drückten die vier Pfoten des erschrockenen Hasen fest zusammen.
AU!
Und eine der langen Ketten rasselte und rüsselte sich um das schwere, wurmstichige Bein des alten Tisches, und
KLACK
fügte es sich zu einem fest geschlossenen Kettenglied zusammen. Und
ZACK
Konnte sich der hilflose Hase nicht mehr rühren.
AUS!

Er schluckte und schluckte, und seine Augen suchten die des Zauberers, aber der blätterte wie wild weiter in dem alten Zauberbuch, und jahrhundertealter Staub flog in kleinen Wolken aus den vergilbten Seiten.
Und nach einem neuen langen, dunklen Wort machte es
PENG!
Und über den in Ketten gelegten Hasen stülpte sich ein Käfig mit schweren, dicken Gittern, der keinen Ein- und erst recht keinen Ausgang hatte.
Nochmals AUS!!


„SO!“; schrie der Zauberer. „Jetzt kannst du NICHT mehr weg! JAWOLL! NIEMEHR NIE! Du bleibst hier. Immer und immer, sonst mach ich…..“

„Schneckenschiss aus mir, ich weiß“, sagte der kleine Hase leise. „Aber dann geht doch alles wieder von vorne los….“

Doch der Zauberer hörte nicht.
„Wir sind Freunde“, schrie er. Und seine verzweifelte Stimme hatte tausend Widerhaken, die sich alle in das Herz des kleinen Hasen krallten.
„Und deshalb bleibst du hier! JAWOLL! Das wollen wir doch mal sehn! Du bist mein Freund! MEINER! Das Eichhörnchen ist NICHT dein Freund. Dieses micker-dünn-dämliche Spring-vom-Baum soll sich gefälligst einen anderen sprim-vom-Baum-in-die-Falle-Freund suchen.
Und deine verflohte Schwester kann warten, bis alle hunderttausend Flöhe in Särge verpackt und beerdigt sind. JAWOLL!
Und die bekloppte Plingpling-plemplem-Eule kann sich einen eigenen Plemplem-Eulenfreund zum Gutentagsagen herbeiplinkern“, schrie er. „ICH BIN DEIN FREUND! Deiner ganz allein! JAWOLL JAWOLL JAWOLL!“

Und als ihm die Luft ausging und seine unruhigen, verzweifelten Augen nur einen Blick von einem Augenblickchen in die Augen des kleinen, immer zerzausten Hasen sahen, die ihn traurig, aber voller Liebe tief, tief, meeresbodentief ansahen, da setzte er sich still auf die Bettkante.
Sein Herz tat so fürchterlich weh, und die Angst drückte ihm so sehr die Luft ab, dass er nicht mehr sprechen und toben und rasen konnte, nur noch fühlen. Und was er da fühlte, war so neu, so heftig, so stark und so ziehend in seinem Herzen, dass er glaubte, dieser Schmerz hätte tausend Schlingarme und würde ihn erdrücken.

Der kleine Hase rief leise: „Ich will zu dir! Bitte, bitte lass mich wieder raus!“ Da flüsterte der Zauberer sofort und auf der Stelle, so schnell er nur konnte, einzweidreivier Worte, und der Käfig verschwand.
RUCK!
Und die schweren Ketten lösten sich in Luft auf.
ZUCK!

Und der kleine, etwas mitgenommene Hase rannte zu dem Zauberer und setzte sich so dicht er konnte neben ihn, sodass selbst ein Katzenbabyschnurrbarthaar keinen Platz mehr dazwischen gefunden hätte.
Er nahm die kalte, dünne Zaubererhand in seine kleine Pfote, die war jetzt auch eiskalt, und flüsterte:
„Ich bin DEIN Freund! Für immer und noch mehr. Bis nach China! Denn du bist hier drin!“ Und er nahm die knochige, zittrige Hand des Zauberers und legte sie auf sein kleines, wild pochendes Herz. „Genau HIER bist du drin. Du kannst es fühlen!“, sagte er. „Wenn ich fortgehe, bist du dabei, weil….egal, wo ich hingehe, mein Herz ist immer bei mir drin, stimmt’s? Zusammen mit dir. So ist das! Das ist so, weil, nämlich:
ICH HAB DICH LIEB!“
Und er rückte noch näher. Und der Zauberer spürte etwas Weiches, Warmes dicht neben sich, das war klein und atmete.


Und als der zerzauste Hase endlich, endlich auf seinem Schoß lag, flüsterte der Zauberer: „Warum tut das dann so weh?“
„Angst tut immer weh“, flüsterte der Hase zurück. „Weil, sie frisst alles an. Sie macht alles klein und dunkel. Und dann wird sie stark und zornig.“
Der Zauberer nickte, denn seinen Zorn hatte er selber noch nicht verdaut. „Aber warum wird die Angst zornig?“, fragte er erstaunt. „Warum?“
„Weil, sie hat selber Angst“, sagte der zerzauste Hase.
Die Angst hat Angst“, wiederholte der Zauberer verblüfft. „Aber wovor?“
„Natürlich vor dem, was stärker ist“, erklärte der Hase. „Und was ist stärker?“, fragte der Zauberer.
„Das Liebhaben“, sagte der kleine Hase und lächelte. „Freunde sein. Freunde haben. Sich vertrauen. Oder alles zusammen. Alles zusammen ist das Allerstärkste, weißt du?“

 

Aus: Kotzmotz der Zauberer, von Brigitte Werner, Verlag Freies Geistesleben, 2012, S. 69-77, https://www.geistesleben.de/Buecher-die-mitwachsen/Kinderbuch-5-bis-8-Jahre/Kotzmotz-der-Zauberer-oxid.html





 

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