Akademie Achtsame Kommunikation
 


Versöhnungsarbeit von Marshall B. Rosenberg: Die Kraft der Empathie



Nachfolgend eine Geschichte aus dem Buch von Marshall B. Rosenberg "Konflikte lösen durch Gewaltfreie Kommunikation. Ein Gespräch mit Gabriele Seils", die mich sehr berührt hat.

"1993 habe ich 20 Serben und 20 Kroaten zusammengebracht. Ich hatte Schwierigkeiten, überhaupt ein Land zu finden, das bereit war, diese Gruppe aufzunehmen, alle hatten Angst vor blutigen Auseinandersetzungen. Schließlich haben wir uns in Ungarn getroffen. 

Sowohl auf serbischer als auch auf kroatischer Seite waren Menschen, deren Familienangehörige von der anderen Seite umgebracht worden waren. Eine der kroatischen Frauen hatte das letzte Mal Kontakt mit Serben gehabt, als eine Gruppe von Männern in ihre Wohnung in Vukovar kam und ihren Bruder erschossen hat. Und sie kommt zu diesem Treffen und sieht 20 Serben. Die Serben hatten selber Ähnliches erlebt, und die ersten drei Tage waren die Hölle, ich habe mir gesagt: „Das ist total verrückt, was du hier machst. Wie sollen die Menschen diese Erfahrungen jemals hinter sich lassen und wieder aufeinander zugehen können?“ 

Aber ich tat, was ich konnte, ich habe immer wieder ihre Aussagen von Wolfssprache in Gefühle und Bedürfnisse übersetzt, und wenn die eine Seite noch zu sehr gegen die andere aufgebracht war, dann habe ich ihnen Einfühlung gegeben, damit sie überhaupt zuhören konnten. So ging das immer hin und her. 

Nach vier Tagen begann sich die Stimmung zu entspannen. Einer der Männer schlug sogar vor, gemeinsam einen Gottesdienst zu besuchen, es hieß, dass in dem Ort ein Gottesdienst auf Serbo-kroatisch gehalten werden würde. Und die Gruppe fühlte sich so verbunden, dass sie beschlossen, alle gemeinsam dorthin zu gehen. Ich stand draußen und habe gewartet, weil ich nichts verstanden hätte. 

Nach 40 Minuten kam eine der serbischen Frauen rausgerannt und schrie: “Ich will hier weg, ich fahre nach Hause, ich hätte es doch gleich wissen müssen, dass die Kroaten nichts kapieren würden.“ Und dann kamen alle aus der Kirche und waren wütend, keiner hatte vorher gewusst, dass der Priester Kroate war, und der wiederum, nicht ahnend, dass Serben in dem Gottesdienst saßen, hatte sich in seiner Predigt verächtlich über das serbische Volk geäußert. Das Vertrauen, das wir mühsam über diese vier Tage aufgebaut hatten, war durch einen einzigen Satz zerstört worden. Aber ich habe es geschafft, alle zu überreden, sich noch mal zusammenzusetzen, um uns mit all diesen Gefühlen auseinander zu setzen und damit, welche Macht dieser Satz hatte. Zum Glück hatten wir noch drei Tage, um wieder zusammen zu kommen. 

Die Leute aus der Gruppe haben bis heute (2004) Kontakt, sie unterstützen sich gegenseitig bei ihrer Arbeit in Friedensprojekten und haben das Training schon an Tausende in Serbien und Kroatien weitergegeben. Ich hätte das am Anfang nicht für möglich gehalten, die Abgründe des Konflikts waren so tief.

Wenn ich in solchen Kontexten Einfühlung gebe, erzählt mein Verstand: „Vergiss es, das wird sich niemals lösen“, aber wenn ich einfach alles tue, was in meiner Macht steht, um die Verbindung zwischen den beiden Parteien aufzubauen, dann passiert es irgendwann: Es ist wie ein Wunder.

Ich bin es nicht, der das tut, ich kann diese Wunden nicht heilen. Was kann ein Einzelner denn schon tun, um all diesen Schmerz zu lindern? Aber das Gute ist, dass wir selber gar nichts tun müssen. Wenn wir empathisch verbunden sind, fließt die göttliche Energie durch uns hindurch und tut es. Ich glaube wir alle haben diese Kraft in uns, sie ist einfach da. Wir sind nicht immer damit verbunden, der Zugang ist oft verstellt. Ich helfe Leuten, sich mit dieser Kraft zu verbinden, indem ich sie auffordere, sich an eine Situation zu erinnern, in der sie den Wunsch hatten, das Leben einer anderen Person zu bereichern. Eine Situation, in der das allein die Motivation für ihr Handeln war, nicht um eine Belohnung zu bekommen, nicht um ein Danke zu hören, nicht um Liebe zu bekommen.
Wie fühlt man sich dann? Wir alle kennen das Gefühl.
[……]
Ja, die Gewaltfreie Kommunikation ist eine Methode, um uns mit der göttlichen Energie zu verbinden.


Aus: Marshall B. Rosenberg: Konflikte lösen durch Gewaltfreie Kommunikation. Ein Gespräch mit Gabriele Seils. Herder Verlag. 2012. S. 56-58






Nimm gerne Kontakt auf unter

Du magst regelmäßig über unsere Angebote informiert werden?



Wir arbeiten als TrainerInnen, Coaches und MediatorInnen
für Gruppen und Einzelpersonen

 Inhaber der Akademie Achtsame Kommunikation ist Christian Hinrichsen.

 Alle anderen TrainerInnen sind unabhängig und

handeln wirtschaftlich auf eigene Rechnung.


Umsatzsteuer-ID DE284598084
 
 
 
 
E-Mail
Anruf